Januar 2025
Lange wurde die dynamische Zunahme des weltweiten Warenexports als Indikator für die zunehmende Globalisierung gewertet. Oft wird dabei aber übersehen, dass in den vergangenen 40 Jahren die Zuwachsraten bei der internationalen Erbringung von Dienstleistungen höher lagen als beim internationalen Warenhandel. Während der Warenhandel zwischen 1980 und 2005 sich ca. verfünffacht und von 2006 bis 2022 nochmals um den Faktor 2,4 zunahm, verzeichnete die internationale Erbringung von Dienstleistungen in beiden Zeiträumen diese etwas höheren Zuwachsraten: Faktor 6,5 von 1980 bis 2005 und Faktor 2,6 von 2006 bis 2022. Die USA sind der weltweit größte Exporteur von Dienstleistungen, gefolgt vom Vereinigten Königreich, China und Deutschland. Die top neun Dienstleistungsexportstaaten erbrachten im Jahr 2022 zusammen 53,7 Prozent des globalen Dienstleistungsvolumens.
Ein Segment von Dienstleistungstätigkeiten sind wissensintensive Dienstleistungen, bei denen die Erzeugung oder Nutzung von Wissen im Zentrum der Wertschöpfung steht. Sie wurden erstmals in den 1990er-Jahren wissenschaftlich untersucht. Gemäß einer Einschätzung des Instituts der Deutschen Wirtschaft dominieren in diesem Segment die USA im weltweiten Vergleich. Deutschland hingegen ist bei unternehmensorientierten Dienstleistungen stark. Wie bei Waren gilt also: Deutschland kann B2B. Diese Stärke sollte ausgespielt und ausgebaut werden. Denn Deutschland braucht ein neues Geschäftsmodell, nicht zuletzt wegen dauerhaft höherer Energiepreise und wegfallender Warenexportmärkte aufgrund politischer Entwicklungen. Der Export hochqualifizierter Dienstleistungen könnte den Warenexport zunehmend ergänzen.
Für wissensintensive Dienstleister gilt meist: Sie verbrauchen wenig Energie, sie haben keinen großen Stock an Anlagevermögen und sie betreiben oft auch keine Forschung im klassischen Sinne. Damit treffen drei Aspekte, um die sich die politische Diskussion zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen dreht, nicht auf wissensintensive Dienstleister zu.
Um das Nachholpotenzial im Export wissensintensiver Dienstleistungen zu heben, muss an anderen Stellen angesetzt werden – und es ist vermutlich noch einige Analysearbeit notwendig, um politische Maßnahmen punktgenau zu setzen. Das könnten erste Ansatzpunkte sein:
- Warum geben Gründer*innen wissensintensiver Dienstleistungsunternehmen in den ersten beiden Jahren nach der Gründung häufiger auf als Gründer*innen im Durchschnitt aller Branchen?
- Laut Unternehmensbefragungen haben Dienstleistungsunternehmen überdurchschnittlich große Schwierigkeiten beim Kapitalzugang. Gilt dies auch für wissensintensive Dienstleistungsunternehmen im Speziellen?
- Sind die vorhandenen statistischen Grundlagen ausreichend, um den Export und Import von Dienstleistungen genauso exakt zu untersuchen wie bei Waren?
